Verfasst von: Capt. Cook | 14. April 2009

Testbericht: Fallout 3 – The Pitt

Welcome to The Pitt

Welcome to The Pitt

Was lange währt, wird endlich gut – nach Terminverschiebungen und Problemen mit Bugs konnte ich im April endlich den zweiten Download-Content für Bethesdas postapokalyptisches Rollenspiel Fallout 3 spielen.

Nach dem sehr linearen Operation Anchorage, das eher einem Shooter ähnelte und nicht viel mit dem Originalspiel gemeinsam hatte, beschreitet The Pitt wieder einen traditionellen Weg. Jeder Fallout 3-Veteran wird sich in dieser Welt sofort heimisch fühlen und auch das aus vielen Stunden Hauptspiel bekannte „Fallout-Gefühl“ stellt sich augenblicklich ein.

Bugs und Spieldauer

Zwei Worte zu Beginn: Viele Stimmen und Forenthreads berichteten von Bugs und Problemen, die teilweise zur Unspielbarkeit des DLC führten. Ich selbst hatte keinerlei Probleme; von dem von mir zuvor beschriebenen kuriosen Grafik-Bug an einem einzigen Felsen einmal abgesehen, konnte ich die Erweiterung störungsfrei und ohne Zwischenfälle durchspielen.

Auch kann ich die vielerseits geäußerte Kritik, The Pitt wäre viel zu kurz und könnte locker in 3 Stunden durchgespielt werden, nicht bestätigen. Sicherlich kann man The Pitt in 3 Stunden spielen, man kann auch Fallout 3 in 10 Stunden spielen, wenn man wie ein Irrer durch die Handlung hetzt und alles links und rechts des Weges ignoriert. Aber ich habe deutlich mehr als 3 Stunden in The Pitt verbracht, denn neben dem weitläufigen Werkshof mit den Hochöfen, die es zu erforschen gibt (und nein, ich habe nicht einmal alle 100 Stahlbarren gesammelt, um mir den Gamerscore dafür zu holen!), gibt es auch in der Stadt einzelne verlassene Gebäude zu entdecken, die – wie im Washington des Hauptspiels – mehrere Etagen haben, von unliebsamen Zeitgenossen bewohnt sind und den Suchenden mit netten Fundstücken belohnen.

Romantischer Blick über Pittsburgh mit Körperöffner und Sonnenuntergang

Romantischer Blick über Pittsburgh mit Körperöffner und Sonnenuntergang

Die Möglichkeiten, sich in The Pitt zu beschäftigen, ohne manisch zum nächsten Punkt der Quest zu hetzen (besser noch: sich per Schnellreisefunktion hinzubeamen), sind durchaus ausreichend, um auch 6 und mehr Stunden Spaß zu haben. Ich habe mich fast eine Woche mit dem Download-Content amüsiert, habe mir Zeit gelassen, habe mich umgesehen und bin nicht sklavisch dem grünen Storypfeil gefolgt. Und ich habe auch nicht absichtlich herumgetrödelt und meine Zeit damit verbracht, herumzustehen und Löcher in die Luft zu starren.

Babylonisch: Deutscher DLC in englischer Version

Meine Fallout 3-Version ist UK Uncut, der vom 360-Marktplatz heruntergeladene Content (wie schon bei Anchorage) deutsch. Ein Umstellen der Sprache ist nicht möglich; es gibt ausschließlich die deutschsprachige Version auf dem deutschen Marktplatz. Diese fügt sich jedoch problemlos in den UK-Inhalt ein; die in der deutschen Version geschnittenen übertriebenen Gore-Effekte bleiben erhalten.

Die Sprachausgabe ist deutsch und ansonsten kommt es zu leichten babylonischen Verwirrungen bei geschriebenen Texten. Nachdem Anchorage meine „Capital Wastelands“ dauerhaft in „Ödland“ umbenannt hat, gibt es in The Pitt kuriose Texteinblendungen wie „Open Tür to Stahlwerk“ oder Gesprächsoptionen wie „Zeigen Sie mir Ihre Waren“, „Können sie meine Ausrüstung reparieren“ und „I have to leave now“. Auch die Dias im Ladebildschirm sind mit zweisprachigem Text beschriftet; die obligatorischen Spieltipps und Statistiken sind nach wie vor auf englisch; die aktuellen Missionsziele auf deutsch eingeblendet. Auch einige der „Wilden“, die man im Werkshof trifft, haben nach wie vor eine englische Sprachausgabe, vermutlich weil sie auf Samples der Raiders aus dem Hauptspiel zurückgreifen.

Im großen und ganzen sind diese Punkte aber verschmerzbar. Ich finde die deutsche Sprachausgabe bisweilen etwas merkwürdig, besonders die gewollt zickig und garstig klingenden Raider, aber das mag auch daran liegen, daß ich nach 90 Stunden Fallout 3 die englischen Stimmen gewohnt bin.

Wo bitte geht es hier nach Pitt?

Wer in der irrigen Annahme ist, „The Pitt“ nach Beendigung des Hauptspiels spielen zu können, muß enttäuscht werden. The Pitt ist nur eine Nebenquest und wer Fallout 3 durch hat und keinen Spielstand vor der letzten Mission angelegt hat, könnte Schwierigkeiten haben. Denn wie wir mittlerweile alle wissen, endet Fallout 3, nunja, recht endgültig.

Kunst aus Stahl in der Stadt des Stahls

Kunst aus Stahl in der Stadt des Stahls

Ich gehöre jedoch zu den glückseligen Weisen, die vor dem Beginn der allerletzen Quest (Take it Back) bzw. bevor man zur Zitadelle zurückkehrt, einen heiligen Spielstand gespeichert haben. Dieses ist der beste und letzte Zeitpunkt, um sich das Hauptspiel offen für weitere Erforschungen zu halten. Mit dem nächsten DLC „Broken Steel“ soll das endgültige Ende zwar geöffnet werden, aber zumindest für Anchorage und The Pitt ist ein halbwegs günstiger Spielstand notwendig.

Der Schwierigkeitsgrad ist etwa im Mittelfeld anzusiedeln; meine Level 20-Kampfmaschine mit Ghoulmaske hatte in The Pitt keine ernstzunehmenden Schwierigkeiten, teilweise waren die Kämpfe zu einfach. Wer nicht am Schwierigkeitssetting des Spiels herumdrehen will, ist mit einem mittelstarken Charakter, etwa Level 12, am besten aufgehoben, wenn er eine herausfordernde Erfahrung sucht. Die neuen Monster (von Krankheit in die Irre getriebene Menschen, ähnlich den Feral Ghouls aus dem Hauptspiel), sind recht schnell und aggressiv, aber die menschlichen Gegner sind definitiv etwas „underpowered“ für voll aufgelevelte Charaktere.

Wer The Pitt spielen möchte, muß einen Spielstand laden und dann – wie schon bei Anchorage – auf einen Funkspruch warten, der einem die Richtung weist. Der Funkspruch kam bei mir bereits nach wenigen Minuten in Form eines Hilferufs. Folgt man diesem Hilferuf, trifft man im Norden der Map auf eine Person, über die ich nichts weiter verraten möchte, und diese wird den Spieler in die Stadt „The Pitt“ führen, das ehemalige Pittsburgh.

Moral und Karma

Wer nach The Pitt will, muß über diese Brücke

Wer nach The Pitt will, muß über diese Brücke

Im Gegensatz zu Washington ist Pittsburgh nicht von einer Bombe getroffen worden und total zerstört, aber durch die Radioaktivität sind die Bewohner dort alle krank und verstrahlt. Zudem herrscht dort eine strenge Hierarchie, denn ein totalitärer Herrscher regiert über die Raiders, die wiederum die Aufsicht über Sklaven haben. Man startet seine Karriere in The Pitt als Sklave, hat aber die Möglichkeit, sich hochzuarbeiten und sich den Raiders anzuschließen. Erstaunlicherweise ist es nicht offensichtlich und auch bis zuletzt nicht durchschaubar, welchen „karmischen“ Pfad man einschlägt, wenn man sich für die Sklaven oder Raiders entscheidet. Die moralische Tragweite der Handlung bleibt überraschend undurchsichtlich, auch wenn man relativ früh zu wissen glaubt, wer „böse“ und wer „gut“ ist. Der Schein kann trügen.

Insofern ist The Pitt keine simple 08/15 Nebenmission, sondern schon ein interessantes Szenario mit ebenso interessanten Entscheidungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt wird die Entscheidung darüber, auf wessen Seite man sich letztendlich schlägt, durch die Tatsache erschwert, daß keine der Personen, denen man in The Pitt begegnet, als Sympathieträger bezeichnet werden kann…

Wer sich ausgiebig mit dem Hauptspiel und der Geschichte der Brotherhood of Steel beschäftigt hat, wird in The Pitt viele Zusatz- und Hintergrundinformationen zu ihrer dort erwähnten Säuberungsaktion von Pittsburgh erfahren. Der Download-Content trägt – im Gegensatz zu Anchorage – dazu bei, die Hintergrundgeschichte von Fallout weiter zu beleuchten und mit zusätzlichen Informationen zu ergänzen.

Grafik und Stil

Sichere Arbeitsplätze im Stahlwerk

Sichere Arbeitsplätze im Stahlwerk

Die Grafik von The Pitt fügt sich nahtlos und relativ harmonisch in das Hauptspiel ein. Pittsburgh wurde zwar nicht wie Washington in Schutt und Asche gelegt, ist aber ähnlich heruntergekommen, verrottet, verdreckt und beschmiert wie der Rest der Wastelands. Der Fallout3-Flair ist also (im Gegensatz zum verschneiten prä-atomaren Anchorage) auf Schritt und Tritt zu erkennen. Auch die Bewohner der Stadt weisen die üblichen Verdreckungserscheinungen auf und sind in armseligem Zustand wie eh und je. Zudem leiden die meisten von ihnen an unappetitlichen Krankheiten, die ebenfalls grafisch dargestellt werden.  Wer von Washington nach Pittsburgh reist, wird keine Sekunde das Fallout3-Feeling vermissen.

Die Grafik ruckelt stellenweise, insbesondere im „Werkshof“, der von Fabrikanlagen und riesigen Hochofenanlagen geprägt ist. Auch hier unterscheidet sich The Pitt nicht vom Hauptspiel; die gleichen kuriosen Phänomene wie nach dem Tod weiterzuckende Körper, und die gleichen Grafikstärken und -schwächen finden sich auch im DLC wieder.

Die Trogs sind von Krankheit in den Wahn getriebene Menschen

Die Trogs sind von Krankheit in den Wahn getriebene Menschen

Optisch zeigt The Pitt interessanterweise einige Parallelen zu George A. Romeros Film „Land of the Dead„, einem postapokalyptischen Zombiefilm, er ebenfalls in Pittsburgh spielt. Ob dieses Absicht oder eine Hommage ist, wissen nur die Designer selbst.

Die neuen Mutanten, genannt „Trogs“ sind eine nette Ergänzung, so daß man endlich die Gelegenheit hat, andere Feinde als Feral Ghouls, Super-Mutanten und Raiders zu bekämpfen. Es gibt sie in vier unterschiedlich starken Varianten, die den unbedarften Spieler gerne mal mit Überraschungseffekt anfallen.

An Blut und Gore wird auch in The Pitt nicht gespart; trotz des deutschen DLC konnte ich keine Unterschiede zu meinem UK-Hauptspiel feststellen. Es gibt einige nette neue Waffen wie den „Körperöffner“, ein Wort, das angenehme Erinnerungen an den guten alten Shadowman mit seinem „Wundspreizer“ weckt.

Alles, was man in The Pitt findet, sammelt und kauft, kann mit zurück nach Washington genommen werden. Da man die Stadt auch nach dem Ende des Spiels jederzeit wieder besuchen kann, erschließen sich dadurch einige neue Sammel-, An- und Verkaufsquellen.  Nicht zuletzt können Achievement-Süchtige die Möglichkeit, auch nach Spielende zurück nach Pittsburgh zu reisen, dazu nutzen, in Ruhe nach den 100 geforderten Stahlbarren zu suchen; es gibt keinen Grund, sich damit schon langwierig während der Handlung von The Pitt zu befassen.

Und sonst?

Mit einem Preis von 800 MS-Punkten liegt The Pitt meiner Meinung nach absolut im Rahmen (verglichen zum Beispiel mit 1600 Punkten für The Watchmen, die ebenfalls in ein paar Stunden durchgespielt sind). Wie der Stand an der Bug-Front ist, kann ich nicht beurteilen, da ich wie erwähnt keinerlei Probleme hatte.  Schade ist, daß man sich jeweils nur die lokale Version vom Marketplace ziehen kann; ich hätte das babylonische Sprachenwirrwarr in meinem eigentlich englischen Spiel gerne vermieden. Aber da es natürlich im Interesse von Microsoft und den Publishern ist, in jedem Land die jeweils dafür vorgesehenen Versionen zu verkaufen, muß ich dieses als Preis für eine ungeschnittene UK-Version hinnehmen. Solange der deutsche Content mir nicht daran herumschraubt, kann ich mit ein paar kuriosen Dialogen und Texten leben.

Fazit

100% subjektiv-StempelMit hat The Pitt gut gefallen; endlich hatte ich nach 90 Stunden Fallout 3 wieder die Möglichkeit, in diese postapokalyptische Welt zurückzukehren und dort noch ein paar Stunden mehr zu verbringen. Die Spieldauer fand ich zufriedenstellend, da ich deutlich länger gebraucht habe als die im Netz kursierenden „3 Stunden“, und auch die Handlungs- und Entscheidungsoptionen waren wieder typisch Fallout 3 – nach dem linearen Shootererlebnis Anchorage wie eine Heimkehr.

Die Kämpfe gegen die Trogs boten etwas Abwechslung von den bekannten Gegnertypen und es war auch ganz nett, mit den Raiders endlich einmal mehr als nur Kugeln zu wechseln, da man in The Pitt Gelegenheit hat, mit ihnen auch auf andere Weise zu interagieren.

The Pitt würde ich – im Gegensatz zu Operation Anchorage – als ein „Must Have“-DLC für Fallout 3-Fans betrachten. Es erweitert das Hauptspiel um eine (wenn auch nicht gerade überwältigend große) Stadt, neue Charaktere und neue Waffen. Außerdem beleuchtet es einige Aspekte der Hintergrundgeschichte genauer und füttert dadurch das Fallout-Universum mit weiteren Informationen. Wer sich jetzt nicht allzu sehr für die Geschichte interessiert, wird in The Pitt zumindest einige spannende Shootouts haben – vorausgesetzt, der Charakter ist nicht voll aufgelevelt.

Für einen Level 20-Charakter ist der ganze DLC trotz der Tatsache, daß man die Hälfte der Zeit ohne seine eigene Ausrüstung und Waffen verbringen muß, einen Tick zu einfach. Das ist zwar mittels des jederzeit frei wählbaren Schwierigkeitsgrades anzupassen, aber um eine richtige Herausforderung zu bieten, sollte man den Abstecher mit einem mittelstarken Charakter wagen. Auch die Tatsache, daß man einen alten Spielstand benutzen muß, um überhaupt nach The Pitt zu gelangen, wenn man das Hauptspiel bereits durch hat, spricht für einen eher frühen Zeitpunkt der Handlung. The Pitt ist in dieser Hinsicht auf jeden Fall einfacher als Operation Anchorage, wo ein gewisses Level und Waffenkenntnisse / Perks aufgrund des Shooter-Charakters eine viel größere  Rolle spielen.

Ishmael Ashur, Herrscher über The Pitt

Ishmael Ashur, Herrscher über The Pitt

Eine bedigungslose Empfehlung spreche ich nur für beinharte Fallout3-Fans aus, die von der Welt einfach nicht genug bekommen können und jeden Schnipsel an Zusatzinformationen und -optionen gierig aufsaugen. Für solche Spieler wird die neue Stadt sicher eine Bereicherung sein.

Wer eine zweite, frei erforschbare Stadt in der Größe Washingtons erwartet, wird sicherlich enttäuscht werden; The Pitt ist zwar größer, als es im ersten Moment erscheint, da sich einige Levelbereiche erst mit der Zeit öffnen, aber mit Washington kann es natürlich überhaupt nicht konkurrieren. Es gibt eine lange Brücke, die überschritten werden muß, um zur Stadt zu gelangen, Downtown, ein Stahlwerk, Uptown, einen recht großen Werkshof mit begehbaren Hochöfen und das „Regierungsgebäude“ Haven. Dennoch gibt es dort für einen DLC genug zu erforschen, leerstehende Gebäude, Shops und Begegnungen.

The Pitt bietet eine ganz gute Balance aus Action und Kämpfen mit Dialogen und Handlungsoptionen, so daß beide Kernelemente von Fallout 3 gut bedient werden. Solange man nicht mit affenartiger Geschwindigkeit durch die Handlung hastet, immer stur dem grünen Pfeil folgend, wird man in Pittsburgh durchaus seinen Spaß haben und seinem Erforscherdrang nachgeben können.

Meine Bewertung:

Bewertung 4


Antworten

  1. Danke für den Ausführlichen Bericht, nach dem Lesen bekomme ich richtig Lust auf das Teil, hab das Hauptspiel mal ausgeliehen und fand es auch super, aber leider machte mir die Zeit einen Strich durch die Rechnung und ich hab erstmal aufgehört. Aber bestimmt was fürs Sommerloch

  2. Sehr guter Beitrag. Wurde gerne noch weitere Informationen daruber erhalten.
    Besten Dank und gruss


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